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Wie ist es um den Tourismus in Venedig bestellt?

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Venedig gehört zu den bekanntesten Städten Italiens und ist bei Einheimischen wie Ausländern ein beliebtes Reiseziel. Das liegt einerseits am besonderen Aufbau der Stadt mit ihren Grachten, andererseits an den vielen historischen Sehenswürdigkeiten und dem umfangreichen Kulturprogramm. Die meisten Einwohner der Stadt leben direkt oder indirekt vom Tourismus, weshalb dieser aus wirtschaftlicher Sicht einen wichtigen Stellenwert einnimmt. Doch seit einigen Jahren wird auch die Kritik am Massentourismus immer lauter. Es ist gar von einem Ausverkauf Venedigs die Rede. Wie ist es wirklich um den Tourismus in Venedig bestellt, welche Folgen hat er für Natur oder Menschen und welche Pläne haben die Stadtväter für die Zukunft?

 

Die aktuelle Situation des Tourismus in Venedig

 

Auch in Venedig erholt sich der Tourismus langsam von den Einschränkungen bei Reisen im Zusammenhang mit Corona. Allerdings wünschen sich viele Venezianer und auch einige Politiker, dass eine Rückkehr zur Touristensituation von vor der Pandemie vermieden wird und stattdessen nachhaltiges Reisen für mehr Übernachtungsgäste sorgt.

 

Anstieg der Touristenzahlen in den letzten Jahren

Venedig galt bereits in den vergangenen Jahrhunderten bei Künstlern und Gelehrten als attraktives Reiseziel in Italien. Mit dem Ausbau des Bettenangebots und der touristischen Infrastruktur sowie der Vermarktung stiegen die Besucherzahlen in den letzten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts stark an. Vor Ausbruch der COVID-19-Pandemie kamen in Spitzenzeiten bis zu 100.000 Touristen am Tag nach Venedig und 80 Prozent von ihnen waren lediglich als Tagesgäste in der Lagunenstadt ohne hier zu übernachten.

 

Pro Jahr verzeichnete Venedig 30 Millionen Besucher und das bei einer Einwohnerzahl von inzwischen nur noch rund 50.000 Menschen. Zwar kam der Tourismus durch die COVID-19-Pandemie beinahe zum Erliegen, doch nach Lockerung der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung nahm auch der Tourismus ab 2022 wieder Fahrt auf. Er erreichte zwar noch nicht das Niveau von vor der Pandemie, befand sich jedoch im starken Aufwärtstrend.

 

Auswirkungen auf die Stadt und ihre Bewohner

 

Gerade Tagestouristen stellen für Venedig ein Problem dar, denn sie bringen kaum Geld in die Stadt, sorgen aber gleichzeitig für einen Ansturm auf die Sehenswürdigkeiten und hinterlassen Müll. Im Durchschnitt gibt ein Tagestourist lediglich zwischen 5 und 20 Euro vor Ort aus. Viele von ihnen kommen von den Kreuzfahrtschiffen, wo sie volle Verpflegung an Bord erhalten. Auch mit Bussen hergebrachte Reisegruppen strömen zwar durch die engen Gassen der Lagunenstadt, lassen jedoch kaum Geld in der Stadtkasse. Dadurch wurde der Tourismus zunehmend zum Kostenfaktor statt zur Einnahmequelle.

Ferientourismus

Für die wenigen verbliebenen Bewohner Venedigs gibt es weitere Probleme zu bewältigen. Immer mehr frühere Wohnhäuser wurden zu Ferienwohnungen, Hotels und anderen Übernachtungsbetrieben umgebaut. Durch den knapper werdenden Wohnraum steigen die Mieten stark an und viele in Venedig arbeitende Menschen leben inzwischen nicht mehr vor Ort. Sie pendeln stattdessen täglich in die Lagunenstadt zur Arbeit und verlassen sie am Abend wieder.

Wenn dann auch die Tagestouristen weitergereist sind, gleicht Venedig einer Geisterstadt. Hinzu kommt, das Betriebe in der Stadt es zunehmend schwerer haben, Personal zu finden, weil dieses immer weniger bereit ist, die täglichen Pendelfahrten auf sich zu nehmen. Darunter leidet wiederum die Qualität des Tourismus.

Umwelt

Folgen hat der Massenansturm von Tagestouristen auch auf die Umwelt. Die berühmten Wasserstraßen der Lagunenstadt werden immer voller und schmutziger und gerade an heißen Sommertagen liegt nicht selten ein unangenehmer Geruch über der Stadt. Auch der Wasserpegel in den Grachten sinkt zeitweise auf einen so niedrigen Stand, dass die beliebten Gondelfahrten nicht mehr möglich sind. Hinzu kommen Müllberge und Abgase, die von den mehr als 600 Kreuzfahrtschiffen pro Jahr ausgestoßen werden.

 

Maßnahmen zur Bewältigung des Massentourismus

Aufgrund der wachsenden Probleme und Unzufriedenheit der Venezianer entstehen in Venedig neue Konzepte für die Tourismusbranche. Eines davon ist ein Eintritt für Tagesgäste, welcher eigentlich bereits für den Herbst des Jahres 2019 geplant war. Aufgrund von Corona wurde dieser Eintritt jedoch erst Anfang 2023 eingeführt.

Hinzu kommen Ambitionen, neben den bekannten Sehenswürdigkeiten auch etwas unbekanntere Attraktionen in der Stadt der Lagunen zu vermarkten, damit sich die Touristenmassen besser verteilen. Sie sollen außerdem auch in das venezianische Umland gelockt werden, was ebenfalls zu einer besseren Verteilung und dadurch einer Entlastung der Altstadt führen würde.

 

Die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf den Tourismus in Venedig

Der Beginn der COVID-19-Pandemie hatte weltweit gravierende Auswirkungen auf den Tourismus, welcher zeitweise beinahe vollständig zum Erliegen kam. Eine Stadt wie Venedig, die fast ausschließlich von Urlaubern lebt, traf dies besonders hart. Geschlossene Grenzen sorgten dafür, dass keine Ausländer mehr in die Lagunenstadt reisen konnten. Immerhin rund 60 Prozent aller Venedigreisenden kommen aus Übersee und der Großteil der restlichen 40 Prozent aus dem europäischen Ausland.

Der Wegfall der ausländischen Touristen hatte auch für die Einheimischen gravierende Folgen. Nicht nur, dass ihnen die Arbeit fehlte und damit kein Einkommen mehr vorhanden war, auch die Stadtkasse blieb leer. In der Folge wurde beispielsweise der öffentliche Nahverkehr weitestgehend eingestellt und Museen blieben geschlossen. Außerdem gibt es in Venedig kaum klassische Geschäfte des täglichen Bedarfs, was die Versorgung der Bewohner in den Hochzeiten der Pandemie zum Problem werden ließ.

 

Maßnahmen zur Wiederbelebung des Tourismus nach der Pandemie

 

Mit der Lockerung der Einreisebestimmungen kamen zaghaft auch die ersten Besucher zurück in die Stadt. Zunächst vorwiegend Europäer, anschließend auch Reisende aus Übersee. Doch eine Rückkehr zum Stand vor der Pandemie wünschen sich viele Venezianer nicht. Viel mehr hoffen sie auf eine Neuausrichtung des Tourismus und dafür werden die Weichen bereits gestellt.

 

Nachhaltiger Tourismus in Venedig

Venedigs Hoteliers kämpfen um Übernachtungsgäste, schließlich bringen sie Geld in die Kassen der Unternehmer und Stadt. Um den Tagestourismus etwas einzudämmen, hat Venedig eine Gebühr für eben jene Urlauber eingeführt, welche nicht mindestens eine Nacht vor Ort schlafen. Das Tagesticket für Urlauber kann online beantragt werden und kostet zwischen drei und zehn Euro je nach Saison. Reisen Urlauber ohne ein entsprechendes Ticket für einen Tag nach Venedig und werden dabei erwischt, droht ein Bußgeld von bis zu 300 Euro. Mit dieser Maßnahme möchten die Stadtväter den Tourismus in Venedig nachhaltiger gestalten.

Zu diesem Zweck wurden auch Empfehlungen für Touristen erarbeitet. Sie raten beispielsweise dazu, Venedig abseits der Touristenmagnete zu entdecken und in das Leben vor Ort einzutauchen. Außerdem wird auf das Verbot Tauben zu füttern hingewiesen. Weiterhin werden Urlauber dazu angehalten, nur ausgewiesene Picknickplätze in Parks zu nutzen, Müll zu vermeiden und korrekt zu entsorgen sowie gegenseitige Rücksichtnahme zu üben.

Bio-Hotellerie

Im Stadtgebiet von Venedig entstehen erste Bio-Hotels, die sich den Umweltschutz auf die Fahnen geschrieben haben. Gastronomen stellen ihre Speisekarten zunehmend auf regionale Gerichte um und kaufen die Lebensmittel bei Erzeugern und Händlern vor Ort. Das sind wichtige Schritte hin zu einem Tourismus, der Umweltschutz fördert und dadurch zur positiven Entwicklung Venedigs beiträgt.

 

Bei allen bereits vorhandenen Bestrebungen für einen nachhaltigeren Tourismus zum Schutz der Umwelt und Verbesserung der Lebensqualität der Venezianer bleibt hier noch viel Luft nach oben. An den mehr als 600 Kreuzfahrtschiffen, die jährlich Venedig ansteuern, hat sich bisher nichts geändert. Das liegt sicherlich auch daran, dass die Häfen in privater Hand sind und Investoren mit ihnen maximalen Gewinn erzielen möchten.

Ein gutes Beispiels dafür, wie nachhaltiger Tourismus gelingen kann und dabei sowohl die Bedürfnisse der Bewohner und Geschäftsleute als auch die der Touristen berücksichtigt, ist der Spreewald im Osten Deutschlands. Auch hier gab es ein zunehmendes Problem des Massentourismus durch Tagesgäste, welches inzwischen jedoch weitestgehend gelöst wurde und zur Entspannung vor Ort beigetragen hat.

 

Fazit

 

Mit dem Markusplatz, den alten Stadtpalästen, zahlreichen Museen und den Gondeln auf den Wasserstraßen ist Venedig eine einzigartige Stadt und nach wie vor ein beliebtes Reiseziel. Nachdem die Vermarktung des Tourismus lange Zeit auf Gewinnmaximierung ausgerichtet war, zeigen sich mit der Einführung eines Eintritts für Tagesgäste und weiteren Bestrebungen erste Schritte zu einer Neuausrichtung. Die Zukunft des Tourismus in Venedig soll laut Aussagen der Stadtväter nachhaltiger werden und dadurch auch die Zufriedenheit der Urlauber steigern.